… eigentlich wollte ich mich erholen!
Es ist morgens gegen 8 Uhr. Alle Kinder sind abgespeist, die Groรe in der Schule, die anderen in ihren Zimmern beim Spielen. So denke ich jedenfalls,wรคhrend ich auf dem Sofa sitze und ein Buch lese.
Als ich aufschaue, weil kleine schnelle Fรผรchen zu hรถren sind, steht der kleine Frosch auch schon mit einem Pappbilderbuch รผber Fahrzeuge vor mir, schaut mich auffordernd an und hรคlt mir das Buch entgegen. Also schnappe ich mir den kleinen Mann, setze ihn auf meinen Schoร und erklรคre ihm ausfรผhrlich „Das ist ein Bagger, der hat eine Schaufel. Und das ist ein Traktor, mit gaaaanz groรen Reifen.“ mit passenden Gerรคuschen – soweit ich diese eben imitieren kann. ๐ Nach etwa 10 Minuten hat der Frosch keine Lust mehr, hรผpft vom Sofa, lรคsst das Buch und mich links liegen und sucht das Weite.
„Toll“, denke ich mir. „Kannst du ruhig weiter deinen Fuร hoch legen und endlich den Roman fertig lesen!“ Tja, falsch gedacht. Ein paar Minuten spรคter steht die Prinzessin vor mir und mรถchte, dass ich ihr das Buch, das das Christkind gebracht hat, vorlese. Auf die Frage, warum sie damit nicht zum Papa geht, meint sie „Der liest aber nicht so toll mit Stimme verรคndern vor und so! Auรerdem mag ich mir DIR kuscheln!“ Na gut, ich gebe mich geschlagen. Nach der Hรคlfte des Buches – es hat verdammt viele Seiten -, als mir der Mund langsam trocken wird, bitte ich um eine Pause, denn mein Kopf fรคngt auch gerade wieder an zu brummen. Die Prinzessin sieht es zwar ein, zieht aber mit hรคngenden Schultern und gesenktem Kopf von dannen und rรคumt das Feld.
Also kuschle ich mich in die Decke, schlieรe gerade meine Augen und vernehme den liebreizenden Ruf des Zwerges. „Maaamaaa!“ – Ich stelle mich tot! „Maaaamaaa?“ – Ich versuche noch immer, nicht zu reagieren. „MAAAMAAAA!“ – Ich gebe nach, totstellen ist hier wohl zwecklos. Der Zwerg hรผpft mit vollem Elan auf das Sofa, knallt mir sein Traktorbuch vor den Latz und beschlieรt „Mama, du liest mir jetzt das Buch vor!“ Auf meinen Widerspruch, dass ich gerade ein bisschen Ruhe brauche, reagiert er nur mit „Ich mรถchte aber JETZT, dass du mir vorliest!“ Ich habe also die Wahl, mich durch das Buch zu quรคlen, welches ich tรคglich gefรผhlt 300 Mal vorlese oder mich auf eine Diskussion einzulassen, die damit endet, dass der Zwerg wutentbrannt heult und motzt und aus dem Zimmer rennt. Das Ergebnis von beidem ist, dass ich die Augen nicht zu bekomme.
Ich entscheide mich fรผr ersteres und lese vor, welches Gerรคt in welches Jahreszeit fรผr welchen Einsatz in der Landwirtschaft geeignet ist. Noch ein paar Mal und ich kann den Master fรผr Agrarwirtschaft ablegen.
Nun hat die Prinzessin mitbekommen, dass ich ihr das Buch verwehrt, dafรผr aber dem Zwerg vorgelesen habe und sie steht wieder auf der Matte. Ich ergebe mich. Widerstand ist zwecklos. Aber wenigstens ein Glas Wasser lasse ich mir bringen, bevor ich das Buch fertig lese – und der Frosch mit dem nรคchsten Pappbilderbuch vor mir steht und mir zu verstehen gibt, dass ich – nicht der Papa, der sich das Spektakel genรผsslich mit Sicherheitsabstand anschaut – das nรคchste Ding erklรคren muss.
Mittlerweile ist es 10 Uhr. Nach mehrmaligem „Der Papa kann das aber wirklich genauso gut wie ich. Ihr mรผsst ihn nur darum bitten, sich Mรผhe zu geben!“ habe ich mir doch ein bisschen Zeit eingerรคumt und schlieรe schnell die Augen, damit sich mein Brummschรคdel verzieht. Wer weiร, wie lange, bevor wieder eines der Kinder mit einem Bรผcherwunsch vor mir steht und meine schauspielerischen Kรผnste einfordert.